Fahrradnation Niederlande

Wenn es um Radverkehr geht, betrachten Stadt- und Verkehrsplaner aus der ganzen Welt die Niederlande als Best-Practice-Beispiel. Doch wie hat sich unser Nachbarland zu einer Fahrradnation entwickelt? Wir von ROSE haben uns angeschaut, wie die Niederlande zu der weltweit führenden Nation im Bereich Radverkehr geworden ist und was wir in Deutschland daraus lernen können. 


Entstehung einer Fahrradkultur

Ob in Amsterdam, Groningen oder Utrecht, im Großteil der niederländischen Städte ist das Fahrrad das komfortabelste und schnellste Verkehrsmittel, um auf Kurzstrecken von A nach B zu gelangen. In den Niederlanden werden täglich mehr als 25 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in Deutschland sind es im Vergleich 10 Prozent. Doch dieser Status Quo war besonders in den 1950er und 1960er Jahren gefährdet. In dem folgenden Zeitstrahl ist abgebildet, wie sich die Fahrradkultur in den Niederlanden entwickelt hat. 

„Mit Ambition weiter den Radverkehr ausbauen“

Die niederländische Regierung hat früh erkannt, dass durch den hohen Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen eine Vielzahl von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteilen für das Land entstehen. Neben der Verbesserung der Lebensqualität im öffentlichen Raum, werden dadurch Klimaschutzziele vorangetrieben und die Gesundheit der Bevölkerung gefördert. Die niederländische Regierung investiert jährlich über 600 Millionen Euro in Fahrradinfrastruktur. Im Durchschnitt fahren die Niederländer 1000 km pro Jahr mit dem Fahrrad, in Deutschland sind es circa 300 km. Allein bezogen auf das Gesundheitssystem kann dadurch unser Nachbarland jährlich 19 Milliarden Euro einsparen. Aus diesem Grund soll auch zukünftig der Radverkehr in den Niederlanden kontinuierlich ausgebaut werden. So hat sich die Regierung das ambitionierte Ziel gesetzt, das Radverkehrsaufkommen bis 2027 um 20 Prozent zu erhöhen. In der folgenden Grafik veranschaulicht, wie die niederländische Regierung diese Zielstellung erreichen will.

Utrecht: die Stadt des Fahrrades

Nach dem "Copenhagenize Index" aus dem Jahr 2019 ist Utrecht nach Amsterdam und Kopenhagen die fahrradfreundlichste Stadt der Welt.  Im innerstädtischen Raum von Utrecht werden 60 Prozent der gesamten Wege mit dem Fahrrad absolviert. Doch was macht es für die Bürger in der viert größten Stadt der Niederlande so attraktiv täglich das Fahrrad zu nutzen? 

Ein Aspekt, der Utrechter Bürger jeder Altersklasse zum Radfahren ermutigt, ist der hohe Sicherheitsfaktor für Radfahrer. In kaum einer anderen Stadt fühlt man sich so sicher beim Radfahren wie in Utrecht. Die Stadt gibt Radfahrern und Fußgängern den Vorrang vor motorisierten Fahrzeugen und strebt an, dass besonders im innerstädtischen Raum der Großteil der Fahrten mit Fahrrad, zu Fuß oder mit Bus und Bahn erledigt werden können. Auch Pendler, die nicht direkt im innerstädtischen Raum leben, werden durch ein breitflächiges Radwegenetz nachhaltig an die Stadt angebunden. Zielstellung der Stadt ist es, dieses Wegenetz weiterhin auszubauen, um die Pendlerdistanz mit E-Bikes und Pedelecs auf bis zu 20 km zu erhöhen. In den folgenden Grafiken sind beispielhaft Radwege abgebildet, die sich im direkten Umkreis von Utrecht befinden. Diese sollen die Qualität der Radwege veranschaulichen, welche die Stadt ihren Bürgern zur Verfügung stellt. Die niederländische Stadt hat allein zwischen 2015 und 2020 circa 168 Millionen Euro an Steuergeldern in den Ausbau der Radinfrastruktur und Stellplätze investiert.


Wie Vernetzung von Mobilitätsmitteln funktionieren kann

Ein weiterer wichtiger Faktor, welcher das Radfahren in Utrecht so attraktiv macht, ist die exzellente Möglichkeiten sein Fahrrad zu parken und Strecken in Kombination mit dem öffentlichen Verkehr zurückzulegen. Mit dem weltgrößten Fahrradparkhaus, das Platz für 12.500 Fahrräder bietet und sich direkt am Hauptbahnhof befindet, haben Bewohner und Besucher der Stadt die Möglichkeit, Zug und Fahrrad nahtlos miteinander zu verbinden. 

Ganzheitliche Mobilitätsplanung

Der Zeitfaktor spielt, bei der Wahl des Mobilitätsmittels, für viele von uns eine wesentliche Rolle. Niederländische Städte streben aus diesem Grund an, neue Infrastrukturprojekte so zu planen, dass eine Person mit dem Fahrrad gegenüber anderen Verkehrsmitteln keinen zeitlichen Nachteil hat. Ein neuer Radweg hat dabei nicht nur die Funktion, dass sich Personen schnell von A nach B fortbewegen können. Er ist ein Ort des öffentlichen Lebens, an dem Kinder ohne Gefahr spielen können, an dem man sich abends trifft und sich ohne Lärm mit Freunden unterhält, gleichzeitig entlastet er aber auch die Umwelt, da dadurch mehr Personen das Fahrrad für Alltagswege nutzen.

In Utrecht konnten wir mit der „Dafne Shippers Bridge“ ein exzellentes Beispiel kennenlernen, wie dieses Ziel in der Praxis umgesetzt wird. Die 110 Meter lange Brücke, welche die Altstadt und die Neustadt von Utrecht miteinander verbindet, wurde im Jahr 2017 mit dem Ziel erbaut, dass rund 7000 Radfahrer durch die Nutzung der Brücke täglich mehrere Minuten Zeit einsparen können. Die Brücke bietet einen wichtigen Treffpunkt für Anwohner und Schulkinder. Sie ist heute viel mehr als eine schnelle Radverbindung sie zeigt, wie eine effiziente Stadtplanung funktionieren kann und ist in Utrecht ein Symbol für eine moderne, verbundene Stadt geworden.

Ausblick

Nachdem wir uns mit Utrecht eine der fahrradfreundlichsten Städte der Welt angeschaut haben, werden wir in den folgenden Artikeln darauf eingehen, was wir in Bezug auf den Radverkehr in Deutschland von den Niederlanden lernen können. Wir werden deutsche Städte auswählen und sie auf ihre Fahrradfreundlichkeit testen. Unsere Überzeugung ist es, dass auch deutsche Städte und Gemeinden von einem ausgeglichenen Mobilitätsmix bezogen auf Lebensqualität, Umwelt und Gesundheit der Bürger stark profitieren können.